Echo Licht Ausgabe 11: Der Herbst

In Ausgabe 11 von „Echo Licht“ freut sich Lutz Bleidorn über die Stimmungen des Herbstes. Er begibt sich in die Pilze, trifft dort auf dunkle Gestalten und berichtet über seine Farben für diese Jahreszeit. Der Griff ins Plattenregal fördert entsprechend geheimnisvolle und feierliche Klänge ans Tageslicht.

„Kennt Ihr das? Man nimmt einen Klang wahr... Einen Zusammenklang aus Farbe, Musik, einem bestimmten Geschmack oder Geruch. Und dadurch öffnet sich die Tür zu einer ganz neuen Perspektive auf die Welt.

Als Kind hab ich das oft wahrgenommen, Herbstnebel, der den Garten vorm Fenster in sanfte gelbliche Töne tauchte, dazu der Geruch von Quitten, ein trauriger Schlager im Radio und die Filzstiftzeichnung, an der ich gerade saß. Ein Moment unglaublicher Tiefe und Glückseligkeit. Da lief z.B. Gitte Haenning mit „Freu dich bloß nicht zu früh“ im NDR und ich malte derweil ein Gespensterhaus auf meinen Straßenteppich, der aus einem alten Bettlaken bestand. Hab mir das Lied letztes auf meinen mp3-Player gepackt und es immer beim Malen gehört. Da war die alte Stimmung wieder da.

Alles, was wir empfinden können, ist wirklich. Und hinter der rationalen Wirklichkeit verbergen sich unendlich viele weitere wunderbare Welten in allen möglichen Farbtönen. Wenn ich diesen Anklang zu fassen kriege, wird meine Welt größer und reicher. Nehme ich als Betrachter wiederum an einem solchen reichen Kunstwerk teil, breitet sich der Zauber ebenfalls auf mich aus. Ein kleines Stück unendlicher Schönheit, sichtbar gemacht im Bild oder eben hörbar in der Musik.

Die Abende im Herbst fand ich immer ganz besonders. Die Geister des Oktobers spukten in den Wipfeln und im Unterholz. Sie haben alle zwischen den Zweigen zu mir hervorgelugt, mir Respekt eingeflößt. Der Norden zeigte seine geheimnisvollen dunklen Tiefen. Der Nachtkrap und seine Kollegen. Dunkle Gestalten, die durch den Wald schleichen, lebendige Vogelscheuchen und Krähenschwärme, Augen, die zwischen den Bäumen auffunkeln... ja.. ich habe das Gefühl, das Gesicht der Vergänglichkeit blickt dann unbestechlich aus den norddeutschen Herbsthimmeln auf uns alle hinunter.

Tja, eigentlich hab ich diese Welt sehr gern, mit all den Wundern, die sie gerade jetzt bereit hält: Die Morgennebel, die Ebereschen, Steinpilze, Butterpilze, Bucheckern, Brombeeren, Quitten, Zwetschgen, Spinnennetze, Silberstreife, Schlehen, Apfelkuchen, Maronen, Krähen, Amseln, Katzenaugen, Holunderbeeren,

In der Schule hingen bunte Collagen aus Blättern vor den tiefblauen Morgenfenstern.
Drinnen Leuchtstoffröhrenlicht. Und man musste auf dem Weg den Dynamo einschalten und durch den Nieselregen strampeln. An den Sonntagen versammelten wir uns mit den Nachbarskindern um den Kachelofen.
Morgens hing der Nebel im Seeblick und beim Milchmann konnte man Süßigkeiten kaufen. Der Teich wurde abgefischt, Brassen, Kartoffelfeuer, Funken fliegen, Wollpullover, Friesennerze, frühe Abenddämmerung, schwefelgelbe Sonne....

Mutter Natur und die Schwere des Entwurzeltseins. Der Herbst ist mütterlich, die Mutter das Haus, der Vater der Baum.... Das Haus, das Wärme und Schutz bietet.

Ich habe für meinen Teil in meinen jungen Jahren viel zu viel gegen meine Eltern angekämpft. In Wirklichkeit war es doch nur ein Kampf gegen die Enttäuschung, die das Erwachsenwerden mit sich bringt. Und zum Malen muss man schließlich doch irgendwie wieder durch unbefangene Kinderaugen blicken.“

 

Musik

Gary Olson – Navy Boats
The Telstar Ponies – Farewell Farewell
Ty Segall – Gold on the Shore
The Coral – Song of the Corn
Josephine Foster – All the Leaves are Gone
The Clientele – Bonfires on the Heath
Thin White Rope – Up to Midnight
Thin White Rope – Hunters Moon
Jessica Pratt – Wrong Hand
Musée Mécanique – A Wish We Spoke

 

Bilder

Guiseppe Arcimboldo – Die Jahreszeiten
Andrew Wyeth – Landschaften
David Hockney – Landschaften
Marlene Reidel – Das Jahr

 

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