Echo Licht Ausgabe 12: Nacht

Es wird früh dunkel und man soll ja zu Hause bleiben. Also überlegt sich Lutz Bleidorn, wie es wohl vor dem Fenster aussieht, er denkt an den nächtlichen Wald und wandert durch seine Traumlandschaften. Allerlei Gestalten und Bilder tauchen aus dem Dunkel auf. Es funkelt im Sternenhimmel und auf der Glitzertapete, Zombies krabbeln um drei Uhr nachts aus dem Schwarzweiß-Fernseher ins Kinderzimmer.

„In Zeiten vor dem Internet habe ich Folgendes geträumt:

Mein Zimmer ist nachts eine heimliche Radiostation und ich kann mich von ihm aus mit allen möglichen verwandten Seelen über weiteste Entfernungen hinaus verbinden. So schwebte mein Geist über die nächtlichen Felder, den Kanal, irgendwann über Hamburg hinweg und über immer weitere mir unbekannte Städte, Gebirge und Flüsse.
Ich kam zwar nirgends an, war aber trotzdem von einem großen Glücksgefühl erfüllt.

Jetzt erreiche ich Euch übers Netz, auch in den tiefen Abendstunden. Und was passiert? Nichts, ich bin wieder auf der Durchreise und versuche hier nur ganz schnell ein paar Begebenheiten zusammenzuraffen, flüchtige Eindrücke festzuhalten, die mir auf dem Weg begegneten.

Dunkelheit regt die Phantasie an. Ahnungen und Anklänge können da ganze Welten eröffnen. Im Schlaf finde ich den Weg in meine ganz eigene Traumlandschaft, die Nacht als Inspiration.

In der Abenddämmerung bin ich immer gerne im Wald unterwegs. Da muss ich mich natürlich gerade in der Jagdsaison vorsehen. Es ist eine Stunde des Erwachens. Überall murmelt und zischt es. Der Graben in den Äckern plätschert mit einem kristallenen Klang vor sich hin. Er flankiert den Eingang zum Gehege. Stand da ein bärtiger Mann im Dunkel? Die Farbtöne wandeln sich vom Sienna bis ins kalte Blau und aus diesem Farbdunst heraus schauen mich tausend Augen an. Und irgendwie wirkt das große Unheimliche auch bergend auf mich. Vielleicht bin ich Teil von ihm und gar nicht der Eindringling, für den ich mich halte.

Als ich so ungefähr vierzehn war, bekam ich von meinen Eltern einen kleinen Schwarzweiß-Fernseher geschenkt. Er fand in meinem Kinderzimmer unterm Dach einen schönen Platz. Gleichzeitig wurde mir eine Glitzertapete spendiert und so verbrachte ich viele Stunden in dieser geheimen Welt, natürlich darauf bedacht, dass kein verräterischer Lichtstrahl durch das Fenster nach außen dringen würde.

Damals kamen diese schönen alten Gruselfilme mit ganz viel Stimmung zur späten Zeit im Programm. Und die Gespenster krochen förmlich aus dem Fernseher heraus in mein kleines Zimmer. Draußen war einfach nur der Gesang der Nacht, die Fichten, der Mondhimmel und Wolkenfetzen überm Meer in der Ferne.“

 

Musik

HEM – Lord Blow The Moon Out
HEM – When I was Drinking
The Band of Holy Joy – Urban Pagans
The Clientele – Orpheus Beach
Mercury Rev – The Dark Is Rising
Songs: Ohia – Farewell Transmission
The Weather Station – Robber
Wilco – Black Moon
The Innocence Mission – This Boat
Tindersticks – Running Wild

 

Bilder

Adam Elsheimer  – Die Flucht nach Ägypten
Casper David Friedrich – Zwei Männer in Betrachtung des Mondes
Iwan Schischkin – Im wilden Norden

 

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